Höchster Kreisblatt
20.11.2009 Kelkheim
RP Baron stellt Ampeln auf Rot
Ausgerechnet die Behörde des ehemaligen Ersten Stadtrats bewertet den B 8-Weiterbau als nicht umweltverträglich
Von Manfred Becht
Das Projekt steht wohl vor dem Aus: Das Regierungspräsidium hat dem Vorhaben eine klare Absage erteilt. Nun entscheidet die Regionalversammlung.
Kelkheim. Dass der ehemalige Erste Stadtrat Johannes Baron (FDP) an die Spitze des Darmstädter Regierungspräsidiums wechselte, galt manchen Befürwortern des Weiterbaus der B 8 als ermutigendes Zeichen. Der ehemalige Kelkheimer Rathaus-Vize selbst hatte auch schon anklingen lassen, dass er sich als Regierungspräsident des Themas annehmen werde. Um so überraschender kommt es nun für viele, dass ausgerechnet Barons Behörde die Ampeln für die neue Straße auf Rot stellt – und das möglicherweise für immer. Keine Frage, die nächsten Wochen werden spannend.
Denn das entscheidende Papier des Regierungspräsidiums ist eine Vorlage für die Regionale Planungsversammlung. Dort haben CDU und FDP, die die Straße befürworten, eine Mehrheit. Aber ob sich dieses Bündnis traut, gegen die erdrückende Argumentation der Fachbehörden an der Straße festzuhalten, ist die Frage. Und sollten sie es doch tun, wird die Drucksache des RP eine gewichtige Argumentationshilfe für die Gemeinde Glashütten. Die müsste beim Bau der Straße mit zusätzlichem Verkehr rechnen, eine Klage gegen das Projekt ist daher nicht ausgeschlossen.
Knackpunkt Verkehr
Der Verkehr gehört zu den wichtigsten Gesichtspunkten, nach denen das Regierungspräsidium entschieden hat. Den Entlastungen in Kelkheim und Königstein wird eine Zunahme in Glashütten und Fischbach gegenüber gestellt. «Punktuelle Entlastungen in Kelkheim können für sich genommen nicht als Planrechtfertigung für die Eingriffe in die Natur dienen», heißt es. Dazu kommt: Wie sich der Ausbau des Königsteiner Kreisels auswirke, sei noch nicht absehbar. Klar sei aber, dass man in Kelkheim eine Verkehrsentlastung erreichen könne, wenn man eine Verbindungsstraße vom Ausbau-Ende der B 8 bis zur B 455 nördlich von Fischbach baue.
Zentrales Argument des Regierungspräsidiums aber ist der Natur- und Umweltschutz. Von zahlreichen schützenswerten und seltenen Pflanzen- und Tierarten ist die Rede, von erheblichen Bedenken aus Sicht des Gewässer- und Grundwasserschutzes, vom Verlust erheblicher Waldflächen mit gravierenden Folgen für die Tierwelt, von starken Einschränkungen für Erholung und Freizeitgestaltung, von negativen Auswirkungen auf das lokale Klima. Das Gebiet rund um den Rettershof werde dadurch erheblich beeinträchtigt, da sich dort der Verkehr verdreifachen wird.
Königstein hakt es ab
Im Rahmen des laufenden Raumordnungsverfahrens sind offensichtlich eine Vielzahl von kritischen Stellungnahmen im RP eingegangen. Dabei haben sich nicht nur die Naturschutzverbände negativ geäußert, sondern auch eine Vielzahl von Fachbehörden, vom Amt für den ländlichen Raum bis zum Denkmalschutz, vom Forstamt bis zum Planungsverband.
Kelkheims Bürgermeister Thomas Horn (CDU) wollte gestern noch keine ausführliche Stellungnahme abgeben. Er sei nur telefonisch informiert worden, halte schriftlich noch nichts in den Händen. So lange aber könne er seriöserweise nichts zu der Sache sagen. UKW-Fraktionschef Albrecht Kündiger dagegen spricht bereits von einer guten Nachricht. Er hatte Ende der 70er Jahre mit einigen Mitstreitern die Trasse der B 8 besetzt und den Weiterbau aufgehalten. Kündiger erinnert bei der Gelegenheit daran, dass Kelkheim und Königstein zusammen zwei Millionen Euro für die Vorfinanzierung der Planung ausgegeben haben, um das Verfahren zu beschleunigen.
Im Königsteiner Rathaus geht man bereits davon aus, dass das Projekt für die nächsten Jahre in einer Schreibtischschublade verschwinden wird. «Wirklich glücklich bin ich nicht darüber», betont Bürgermeister Leonhard Helm (CDU). Wirklich unglücklich sei er aber auch nicht. Man müsse akzeptieren, dass sich in 20 Jahren viel verändere, dass Wertigkeiten sich verschieben. Die gestiegene Bedeutung von Natur- und Landschaftsschutz sei da ein gutes Beispiel und letztlich ja auch maßgeblich dafür gewesen, dass der RP der geplanten Trassenführung die Raumverträglichkeit abspreche. Helm: «Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der geplante Bau der Umgehung einen ganz erheblichen Eingriff in die Natur darstellen würde.»
Taunus Zeitung 1:
20.11.2009 02:50 Uhr
RP sagt Nein zur B 8-West
„Raumverträglichkeit“ nicht gegeben – Regionalversammlung entscheidet am 12. Dezember
Von Stefan Jung
Der Bau einer B -8-West-Umgehung verträgt sich nicht mit den Erfordernissen von Mutter Natur. Was Umweltschützer seit Jahren betonen, ist jetzt wohl auch die Meinung beim RP in Darmstadt. Das Aus für die Umgehungspläne ist wahrscheinlich.
Königstein. Da diskutiert die ganze Stadt über die Zukunft des Hauses der Begegnung, und zeitgleich verabschiedet sich ein Thema, das Königstein über Jahrzehnte wie kein anderes bewegte quasi durch die Hintertür. Die B 8-West-Umgehung ist wohl so gut wie «gestorben» – zumindest mittelfristig.
Anlass für diese Vermutung bietet die Entscheidung des Darmstädter Regierungspräsidenten (RP), Johannes Baron (FDP), dem umstrittenen Straßenbauprojekt die «Raumverträglichkeit» abzusprechen. Zwar muss die Regionalversammlung Südhessen am 12. Dezember dieser Empfehlung noch folgen, um die B 8-West-Umgehung wirklich zum Fall für den Aktenordner werden zu lassen. Aber auch im Königsteiner Rathaus geht man davon aus, dass das Projekt B 8 -West-Umgehung zumindest für die nächsten Jahre in einer Schreibtischschublade verschwinden wird.
Schließlich müsse man akzeptieren, dass sich in 20 Jahren auch viel verändere. Die gestiegene Bedeutung von Natur- und Landschaftsschutz sei da ein gutes Beispiel und letztlich ja auch maßgeblich dafür gewesen, dass der RP der geplanten Trassenführung die Raumverträglichkeit abspreche. Helm: «Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der geplante Bau der Umgehung einen ganz erheblichen Eingriff in die Natur darstellen würde.»
Umweltschutz als zentrales Argument
Zentrales Argument des Regierungspräsidiums ist denn auch der Natur- und Umweltschutz. Von zahlreichen schützenswerten und seltenen Pflanzen- und Tierarten ist die Rede, von erheblichen Bedenken aus Sicht des Gewässer- und Grundwasserschutzes. Dazu kommen der Verlust erheblicher Waldflächen mit gravierenden Folgen für die Tierwelt, starke Einschränkungen für Erholung und Freizeitgestaltung sowie negative Auswirkungen auf das lokale Klima. Das Gebiet rund um den Rettershof werde dadurch erheblich beeinträchtigt, dass sich dort der Verkehr verdreifachen wird.
Ob diesen Eingriffen wiederum die prognostizierte Verkehrsentlastung entspricht, das hatte der RP abzuwägen. Und da sind die Prognosen offensichtlich zu niedrig gewesen, als dass sie den Bau der Umgehung gerechtfertigt hätten. Aus Darmstadt heißt es dazu: «Punktuelle Entlastungen in Kelkheim können für sich genommen nicht als Planrechtfertigung für die Eingriffe in die Natur dienen.» Vor allem dann nicht, wenn Königstein davon nur gering profitiert und im Gegenzug Fischbach und Glashütten sogar mehr Verkehr bekommen.
«Wirklich glücklich bin ich nicht darüber», betonte Bürgermeister Leonhard Helm (CDU) gestern im Gespräch mit der TZ. Schließlich habe er in den vergangenen Jahren selbst intensiv für die Umgehung gestritten, habe selbst vor 20 Jahren Handzettel pro Umgehung in der Stadt verteilt. Wirklich unglücklich sei er aber auch nicht, machte Helm aus den zwei Seelen in seiner Brust keinen Hehl.
Zudem, so Helm, habe der Umbau des Kreisels und die Optimierung der B 8 in der Ortsdurchfahrt doch bereits etwas Druck aus der schwierigen Verkehrssituation in der Kurstadt herausgenommen. Ausreichen, das weiß auch Helm, wird das für die Zukunft nicht. «Der Kreisel muss endlich fertiggestellt werden», fordert Helm, wohlwissend, dass die Stadt da alles getan hat, was in ihrer Macht steht. Das Verkehrsministerium ist gefordert, die noch blockierten Bypässe freizugeben.
Vom Land erwartet Helm aber nicht nur ein Reagieren am Kreisel, sondern auch die Rückerstattung der Planungskosten, sollte die B 8-West-Umgehung wirklich in der Versenkung verschwinden. Das sei so vertraglich auch vereinbart. Von einem Millionenbetrag spricht der Königsteiner Rathauschef, den die Städte Königstein und Kelkheim gemeinsam investiert hätten.
Vom Vorkämpfer zum Stolperstein
Übrigens: RP Johannes Baron ist in Sachen B 8-West-Umgehung alles andere als ein Unbekannter. Im Gegenteil. Bei der Neuauflage des Projekts vor gut zehn Jahren gehörte Baron als Erster Stadtrat von Kelkheim noch zu den ausdrücklichen und überzeugten Befürwortern des Projekts. Noch 2004, als die damalige Bundesregierung die B 8-West im Bundesverkehrswegeplan aus dem vordringlichen Bedarf in den weiteren Bedarf zurückstufte, zitierte das Höchster Kreisblatt Baron mit den scharfen Worten: «Beim Bundesverkehrswegeplan toben sich die rot-grünen Fundamentalisten aus.» sj
Taunus Zeitung 2:
Kein Triumphgeheul: Umgehungs-Gegner wollen Entscheidung abwarten
Königstein. Während man sich im Königsteiner Rathaus schon im Abgesang auf die B 8-West-Umgehung übt, ist man bei den vermeintlichen Siegern, der Gegnern des Projekts und Umweltschützern noch weit davon entfernt, in Euphorie auszubrechen.
«Noch ist gar nichts entschieden», betont Robert Rohr, Vorsitzender der ALK, und verweist auf die noch ausstehende Entscheidung in der Planungsversammlung. Dazu kommt Rohrs Befürchtung, dass «die Leute, die die B 8-Umgehung haben wollen, nicht so leicht aufgeben werden». Abwarten und hoffen sei derzeit angesagt, rät der Königsteiner, der schon der Gruppe der Dammbesetzer angehörte, die vor 30 Jahren den ersten Anlauf zur B 8-Umgehung verhindert hatten.
Sollte die Regionalversammlung sich der Meinung des RP anschließen – zu dieser Einschätzung lässt sich Rohr dann aber doch bewegen – dann sei das ein wichtiger Etappensieg. Vor allem aber sei es ein Beleg dafür, dass die ökologischen Tatsachen, die gegen den Straßenbau sprechen, so überwältigend sind, dass man nach objektiver Prüfung das Projekt gar nicht befürworten könne. Doch selbst wenn die Versammlung im Sinne der B8 -West-Gegner entscheidet, wird Rohr wohl nicht in Euphorie ausbrechen. Er sieht auch für diesen Fall, dass die Umgehung für einen längeren Zeitraum, aber nicht für alle Zeiten vom Tisch ist.
Noch vorsichtigere Töne schlägt Dr. Claudia Weiand, die Vorsitzende des BUND-Königstein-Glashütten an. «Wir haben zwar auch davon gehört, dass der RP so entschieden haben soll. So lange wir aber keine schriftliche Bestätigung haben, geben wir keine offizielle Stellungnahme ab», unterstreicht Weiand. Statt in Triumphgeheul auszubrechen, wollen sich die Naturschützer lieber intensiv mit der Frage beschäftigen, wie sich das Areal, durch das die Umgehungs-Trasse gebaut werden soll, in den Naturpark Hochtaunus eingliedern und damit schützen lässt.
Zudem, so Weiand, wolle und werde man die Belange der Menschen, die auch in Königstein durch den Verkehrslärm belastet sind, nicht vergessen. «Wir wollen helfen, Lösungen zu finden», betont die BUND-Chefin, die sich durchaus vorstellen könnte, sich in Berlin in einer konzertierten Aktion mit allen Interessensgruppen der Stadt und mit aller Kraft für eine Untertunnelung der Ortsdurchfahrt einzusetzen. sj sj
Frankfurter Rundschau:
"Nicht umweltverträglich"
Kippt jetzt der Ausbau der B8?
Umweltschützer in Kelkheim und Königstein frohlocken: Das Regierungspräsidium hält die lange geplante Trasse in den Taunus für nicht umweltverträglich.
Von Andrea Rost und Anton J. Seib
"Respekt vor Johannes Baron!" Albrecht Kündiger, Vorsitzender der Unabhängigen Wählerinitiative Kelkheim (UKW) und Chef der Grünen im Main-Taunus-Kreistag, kann es kaum fassen. Im Kelkheimer Stadtparlament hätte Johannes Baron als FDP-Politiker die Planung zur B8 stets befürwortet. Dass er nun als verantwortlicher Regierungspräsident (RP) politische Überlegungen hintanstelle und sich von fachlichen Gesichtspunkten leiten lasse, findet Kündiger "großartig".
Der "Knaller" zur Bundesstraße B8 macht wie ein Lauffeuer die Runde im Main-Taunus- und Hochtaunuskreis. Die Beschlussvorlage des RP, über die die Regionalversammlung Mitte Dezember entscheiden wird, lässt keinen Zweifel: Die vorliegenden Planungen zur B8 Ortsumgehung Kelkheim und Königstein könnten nicht mit den Erfordernissen der Raumordnung in Übereinstimmung gebracht werden, heißt es darin. Als Bereiche, in denen sich Widersprüche zum Regionalplan ergeben, werden aufgelistet: Wald, Schutz und Entwicklung von Natur und Landschaft, regionaler Grünzug, Schutz von oberirdischem Gewässer, Grundwassersicherung sowie Landschaftsnutzung und Landschaftspflege. Es folgt eine ausführliche 25-seitige Begründung, unterzeichnet ist das Papier von Regierungspräsident Johannes Baron; bis vor einem halben Jahr Erster Stadtrat in Kelkheim.
Horn sieht keine Alternative
Von einem "herben Rückschlag" spricht der Kelkheimer Bürgermeister Thomas Horn (CDU). Horn gilt aus ausgewiesener Befürworter des Neubaus der B 8 und macht im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau deutlich: "Diese Umgehungsstraße ist alternativlos, es gibt keine andere Möglichkeit der Verkehrsentlastung für die Städte. Wenn sie nicht gebaut wird, riskiert man einen verkehrspolitischen Kollaps." Horn will die Stellungnahme des RP in Ruhe lesen und nach Hinweisen suchen, wie das Straßenbauprojekt vielleicht doch noch realisierbar ist. Er macht aber auch deutlich: "Wenn die Vorzugsvariante, über die wir jetzt reden, nicht infrage kommt, dann ist das Projekt B 8 versenkt."
Robert Rohr, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Lebenswertes Königstein (ALK), die stets zu den Gegnern des B-8-Neubaus zählte, ist vorsichtig optimistisch. "Ich kann mir vorstellen, dass die Experten des RP zu dem Schluss gekommen sind, dass unterm Strich die Verkehrsentlastung durch die neue Trasse nicht groß genug ist, um die Beeinträchtigungen aufzuwiegen", sagt er. "Da ist der Aufwand viel zu groß."
Claudia Weiand vom BUND Königstein-Glashütten wurde von der Nachricht überrascht. Sie betrachtet die B 8 "seit 20 Jahren als mein Herzblut-Thema". Dennoch müsse man vor der endgültigen Entscheidung in der Regionalversammlung "sehr vorsichtig" sein. Auch ihr BUND-Kollege aus dem Main-Taunus-Kreis, Manfred Guder, will noch nicht in Jubelschreie ausbrechen ob der Expertenmeinung aus Darmstadt. Erst wenn die Regionalversammlung über die Vorlage des RP abgestimmt habe, sei die Sache klar.
Königsteins Bürgermeister Leonhard Helm (CDU) kann die Absage an die B8 verstehen. Vor 25 Jahren habe er selbst noch intensiv für die Straße geworben. "Die Zeiten haben sich geändert. Man fragt sich, ob man sie jetzt noch wirklich hätte haben wollen."
Chronologie der Planung
Die Städte Kelkheim und Königstein planen seit über 40 Jahren den Neubau der B 8 als Ortsumgehung. Sie soll von Hornau am Rettershof vorbei bis zur Billtalhöhe nördlich von Königstein verlaufen.
Umweltverbände und Initiativen machen dagegen mobil, besetzten von 1979 bis 1981 den für die Straße aufgeschütteten Damm. Zwei politische Gruppen sind aus der Dammbesetzung hervorgegangen: die Unabhängige Wählerinitiative Kelkheim (UKW ) und die Aktionsgemeinschaft Lebenswertes Königstein (ALK).
In den 1980er Jahren wurden die Planungen gerichtlich gestoppt.
Vor zehn Jahren nahmen die beiden Städte und das Land das Straßenbauprojekt erneut in Angriff. Das Liederbachtal sollte nun mit einer 32 Meter hohen Brücke überquert werden.
Über eine Million Euro kostete die Planung bislang. Die Kommunen haben sie vorfinanziert. Erst beim Bau der neuen B8 bekommen sie die Kosten vom Land Hessen rückerstattet.
Im Bundesverkehrswegeplan rangiert das Neubauprojekt B 8 als "Straße des weiteren Bedarfs mit hohem ökologischen Risiko". (aro)